Folge 22 | Trümmerfrauen 2.0 und Seelenkrieg

Welche Konsequenzen hat Corona für die Gleichberechtigung von Mann und Frau

Die Welt 2020 hat nichts mehr zu tun mit der Welt von 2022, außer dass wir in einer Pandemie leben. Melanie beschäftigt die Kernfrage: Wo soll das alles hinführen? Sie bezeichnet die Situation als Seelenkrieg. Für Unternehmen zeigt sich, dass die Verwerfungen tiefgreifender sind, als wir alle gedacht haben. Bei den Frauen nimmt sie wahr, dass Lebensfragen nach außen kommen, z.B. “ Wie geht mein Leben weiter? Was haben die letzten zwei Jahre mit mir gemacht?“. Das betrifft vor allem Frauen mit Kindern, die sich auch fragen: „In was für eine Zukunft führen wir unsere Kinder?“.

Unser Gespräch führt uns über diese Fragestellungen direkt zum Thema Emanzipation. Denn es zeigt sich, dass dieses Thema insgesamt recht brüchig in den Familien gelebt wurde und es aktuell zurück zu traditioneller Rolenaufteilung geht, wodurch eine Mehrbelastung für Frauen stattfindet.

Mütter werden wieder an den Rand der Gesellschaft gedrängt und verschwinden von der Bildfläche und das darf nicht sein, sagt Melanie. Sie findet, dass die Verwerfungen durch die aktuelle Situation (Corona) gesellschaftlich so gravierend sind, dass Frauen unbedingt mitreden müssen. Deshalb hat sie 2021 die Shero.Community gegründet.

Gefragt nach den Ungleichheiten zwischen Mann und Frau in dieser pandemischen Situation sagt Melanie: „Ich glaube wir bewältigen diese Krise nach außen stärker und bewusster als Männer. Das liegt daran, dass wir leichteren Zugang zu unseren Emotionen haben und durch die Situation in vielen Frauen die Löwin erwacht. Sie werden vehement und sagen „kein Schritt weiter“.“

Im Innenverhältnis zeigt sich jedoch, dass die Frau im Homeoffice als erstes ihre eigenen Hobbys wieder abgeschafft hat. Melanie erklärt das mit den starken patriarchalen Strukturen, die sich einfach über Jahrtausende etabliert haben, und die es leicht machen wieder zurück in alte Strukturen zu verfallen. So war bei den Alten Griechen, als sie die Demokratie erfanden, kein Wahlrecht für Frauen vorgesehen. Entsprechend hat das Grundkonzept der Demokratie schon von grundauf den Fehler, dass Frauen nicht in gleichberechtigter Rolle mitberücksichtigt wurden.

Was sich jetzt zeigt ist, dass auch vor Corona die Frauen den Hauptanteil innerhalb der Familie übernommen haben, nur dass die Erziehungsarbeit outgesourct wurde. Dadurch entsprang die Freiheit für Frauen, sich beruflich entwickeln zu können – oder je nachdem – auch zu müssen. Durch die neue Betreuungssituation rutschen Frauen also gar nicht alte Rollenbilde zurück, sondern übernehmen wieder das, was sie eh gemacht haben. Nun geht es darum herauszuarbeiten, welche Aufgaben Frauen eigentlichen in der Gesellschaft haben.

Nach Corona werden wir die Trümmerfrauen 2.0 haben.“, beschreibt Melanie Vogel und führt aus “ Es werden wieder die Frauen sein, die die Gesellschaft zusammenführen, reparieren und in den sozialen Berufen versuchen die Seelen zu heilen. Das ist die große Stärke von Frauen und es ist eine Stärke, keine Schwäche. Ohne Frauen würde die Welt zugrunde gehen. Wenn wir uns reinfallen lassen in diese weibliche Energienicht Rolle! – dann ziehen die Männer auch wieder mit.“

Reparieren, zusammenführen, Seelen heilen. Das ist die große Stärke von Frauen. Und es ist ein Stärke, keine Schwäche!

Melanie Vogel – Wirtschaftsphilosophin

Die Unterscheidung von weiblicher Energie und männlicher Energie führt uns dann in unserem Gespräch noch auf eine weitere Ebene. Nämlich die der spirituellen Betrachtung von weiblichen und männlichen Energien. Wer sich ein wenig damit beschäftigt hat, weiß dass die Grundannahme lautet, dass Männer wie Frauen beide Anteile und Qualitäten gleichermaßen in sich vereinen, nur eben in unterschiedlicher Konfiguration. „Geburt und Tod sind in uns Frauen, das ist die Schöpferenergie.“ Und an dieser Stelle des Podcasts erzählt Melanie auch über ihre Spiritualität und dass es eher akzeptiert ist, dass Frauen sagen, dass sie spirituell arbeiten als Männer. Sie selbst nimmt ihre Spiritualität deutlich wahr und weiß, dass auch ihr Mann diese Veranlagung hat, aber er würde es eben nie proaktiv nutzen. Aus ihrer Sicht ist diese Spiritualität eine große Chance und Stärke für Frauen, aber auch für Männer.

„Männer müssen ihre weibliche Energie auch mehr leben und sich genauso um Kinder und Familie kümmern.“ Corona zeigt, dass wir nicht so weit waren, wie wir hätten sein können. Und so kommt es, dass wenn es um die Frage geht, wer zuerst wieder arbeiten geht oder aus dem Homeoffice rausgeht, die Entscheidung häufig für den Mann fällt. Schon allein aus finanziellen Gründen, da er in den meisten Fällen immer noch besser verdient als Frauen.

„Es ist jetzt alles sichtbar. Es liegt jetzt alles auf dem Tisch. Wir können uns nicht mehr wegducken und sagen ‚wir haben von nichts gewusst.‘“

sagt Melanie Vogel

2022 wird es darum gehen Lösungen zu finden, die nachhaltig sind. Alles was bisher in der Gleichberechtigung geschah, war ein Schritt in die richtige Richtung aber eben nicht nachhaltig. Deshalb wird es Zeit, dass wir neue Werte definieren. Das könnte zum Beispiel sein, dass man trotz der Tatsache, dass vielleicht der Mann mehr verdient, sich dafür entscheidet, dass die Frau wieder als Erste arbeiten geht und nicht die wirtschaftlichen Faktoren als Nummer 1 Entscheidungskriterium gewertet werden.

Melanies Prognose ist, dass die nächsten Jahre nicht entspannter werden, weil die Folgen der Pandemie nachhaltig sind. Im Guten wie im Schlechten. Sie fände es gut, wenn man anfangen würde die Hausarbeit monetär zu bewerten, wie es Harriet Taylor Mill , die englische Frauenrechtlerin, schon sagte. Es kann nicht sein, dass Frauen zu Hause bleiben, ohne dass dem ein gesellschaftlicher Wert beigemessen wird. „Die gesellschaftliche Arbeit, die Frauen leisten, wenn sie zu Hause bleiben, muss bezahlt werden!“, lautet ihre Forderung. Wirtschaftlich ausgedrückt bedeutet es, dass der Haus-/Familienarbeit von Frauen ein volkswirtschaftlicher Wert beigemessen wird, denn sonst bleibe die Arbeitskraft der Frau immer billig und verfügbar. In der aktuellen Situation zeigt sich, dass ein Großteil der Frauen ausgebrannt ist. Sie sind am Limit. Und jedesmal, wenn die Frau sich um Familie und Pflege kümmert, tut sie etwas für die Gesellschaft.

In unserem Gespräch erklärt uns meine Gästin dann auch, wie es möglich wäre, diesen volkswirtschaftlichen Nutzen zu definieren. So könne man der Hausarbeit einfach mal einen 8-Stunden Arbeitstag mit einem durchschnittlichen Gehalt zugrunde legen. Dadurch würden sich Zahlen ergeben die sich mit dem Bruttosozialprodukt gegenrechnen ließen. „Das Familienmanagement braucht einen Gegenwert. Insbesondere solange wir noch so nutzenmaximiert und als Homo Ökonomicus unterwegs sind, damit ein Ausgleich stattfinden kann.“

Die Aufgabe lautet jetzt hinzuschauen und zu sehen, wo wir als Gesellschaft versagt haben. Denn es zeigen sich in vielen Themen große Kluften und die Fronten sind verhärtet. Und hier sieht Melanie ganzu besnoders die Politik gefragt. Sie fordert sie auf wieder mehr „Sozial“ als „Staat“ zu sein. Denn in einem solchen System, wo der Staat stark vorschreibt, finde Neues kaum Platz. Für Neues sei Selbstbestimmung wichtig. Und wer sie im Außen nicht finde, müsse sie im Inneren suchen. Denn Selbstbestimmung hat einen großen Einfluss auf Krisenresilienz und Gesundheit. Um sich diese innere Selbstbestimmung zu verschaffen, solle man sich fragen: „Was brauche ich um glücklich zu sein und was kann ich dafür tun?“. Ihre Erkenntnis aus der aktuellen Situation lautet, dass wir keine Selbstverständlichkeit haben, was das Thema Selbstbestimmung und Freiheit angeht.

Zum Abschluss unseres Gesprächs habe ich Melanie Vogel dann noch um ihre Einschätzung für 2022 gebeten. Als Ausblick für dieses Jahr 2022 sieht sie eine gewisse Leere. „Die Leerheit ist der kreativste Punkt unseres Daseins. Es ist so viel Altes weggebrochen und Neues bekommt Raum, um zu entstehen. Dieser chaotische Zustand ist eine große Chance.“

Es ist wie immer eine Freude Melanie Vogel zuzuhören und für sich selbst neue Impulse mitzunehmen. Zum Beispiel dazu, wie wir gemeinsam unsere Gesellschaft gleichberechtigter gestalten können, ohne dabei an Individualität zu verlieren.

Hör unbedingt rein, wenn du ein wenig mehr verstehen willst, was hier gerade gesellschaftlich passiert, insbesondere in der Rollenverteilung.
Und hör unbedingt rein, wenn es dir gut tut zu hören, dass du nicht allein bist und viele emanzipierte Frauen sich plötzlich wieder ans Heim gefesselt finden.
Und hör unbedingt rein, wenn es dich aufbaut, dass Melanie und ich daran glauben, dass wir das ändern können.

Über Melanie Vogel

Melanie ist seit 1998 passionierte Unternehmerin und Business-Vordenkerin. Ihre erste Firma gründete sie aus dem Jura-Studium heraus und war doch kein Neuling in der Unternehmenswelt. In den Betrieben von Vater und Großvater schnupperte sie bereits in jungen Jahren in die Welt von Unternehmensführung, Change und Innovation. Schon früh erkannte sie: Wer nicht innoviert, entwickelt sich nicht weiter.

Wer sich nicht freiwillig von innen heraus verändert, wenn sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen ändern, wird von außen in den Change getrieben. Als Unternehmerin wurde sie insgesamt drei Mal mit einem Innovationspreis ausgezeichnet: 2012 bei „Land der Ideen“, 2016 mit dem NiBB-Innovationspreis und 2018 als „Germany at it’s Best“.
Nominiert wurde sie u.a. 2019 für den Award „Top 100 Leaders in Education“, 2018 für den „Global Woman Entrepreneur Award“ und ebenfalls 2018 als „IT-Women of the Year“ im Bereich „Digitale Transformation“.

Das Netzwerk speziell für Frauen
https://shero.community/

Die Karriere-Leitmesse für Frauen
https://www.womenandwor

Melanie Vogel – Unternehmerin, Beraterin, Autorin und Philosophin
https://www.melanie-vogel.com/

Links und Credits

Credits für Musik: Music from Uppbeat (free for Creators!)
https://uppbeat.io/t/sonda/were-in-it-together

Zum Selbstcoaching-Programm 21 Tage zur Gelassenheit: bit.ly/Gelassenheit-Kompakt

Zum Kurs 5 Lebensstärken, die du in der Schule nicht lernst kommst du hier: bit.ly/5Lebensstärken

Credits für Musik: Music from Uppbeat (free for Creators!)
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