Warum ich absolut für die Frauenquote bin

Vielleicht hast du selbst schonmal über das Thema Frauenquote nachgedacht und versucht dir eine Meinung zu bilden. Möglicherweise bist du dir vielleicht unschlüssig, wie du sie findest. Denn einerseits fragst du dich, was soll das bringen? Wollen wir Frauen diesen Mitleidsbonus? Was wenn ich dann vorgeworfen bekomme, dass ich den Job nur wegen der Frauenquote habe? Oder vielleicht findest du uns Frauen gar nicht so benachteiligt. Viele könnten ja, aber wollen nicht. Was auch immer du denkst, es lohnt sich vielleicht nochmal anders drüber nachzudenken. Denn die Diskriminierung von Frauen ist tief im System verankert. Ich bin bestimmt keine Expertin auf dem Gebiet Frauenquote, aber ich bin bereit mich damit zu beschäftigen und mir eine Meinung zu bilden. Dich möchte ich heute auffordern, das auch zu tun.

Ich plaudere kein Geheimnis aus, wenn ich sage, dass Frauen im Erwerbsleben nach wie vor benachteiligt werden. Das drückt sich auf vielerlei Art und Weise aus. Frauen werden benachteiligt, wenn es um die Bezahlung geht, wenn es um die Besetzung von Vakanzen geht – hier werden vor allem junge Frauen benachteiligt – und nicht zuletzt, wenn es darum geht wichtige Führungspositionen zu besetzen.

Die Gründe, warum es wenig Frauen in den obersten Chefetagen gibt sind vielfältig und hängen nicht immer mit unmittelbarer Diskriminierung zusammen. Zum einen Teil ist es eine unmittelbare Diskriminierung, die stattfindet, weil die Männer unter sich bleiben wollen. Sie möchten nicht durch Frauen in ihrer männlich dominierten Kultur gestört werden und sie halten Männer für fähiger als Frauen. Und zum anderen Teil findet auch eine mittelbare Diskriminierung statt, wie zum Beispiel, dadurch dass Führungspositionen häufig wenig Spielraum für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf lassen. Das heißt Frau muss sich dann entscheiden, welchen Weg sie wählt.

Eine Frau zu sein ist verpönt

Dass Männer und Frauen nicht gleich sind, ist kein Geheimnis. Es gibt einfach Unterschiede darin, wie Männer sich in der Welt bewegen und wie Frauen sich in der Welt bewegen. Und keines von beidem ist besser oder schlechter. Es sei denn es handelt sich um toxische Männlichkeit/Weiblichkeit oder eben die Auswirkung in Form von Benachtieligung. Wenn z. B. Frauen in einer von Männern erbauten und von ihnen dominierten Arbeitswelt sich weigern, sich dieser Männerkultur anzupassen, werden sie nicht respektiert. Ich nenne es Anpassungs-Diskriminierung: Frauen, die weibliche Werte leben (z. B. die Suche nach Konsens statt Konfrontation) und deshalb im Beruf nicht ernst genommen werden. Spätestens dann erkennt Frau, dass sie nicht nur anders ist, sondern auch weniger anerkannt und wert.

Hinzu kommt, dass wir Frauen manchmal selbst gar nicht wissen, was wirklich weiblich ist und was in unserem Verhalten, Denken, Fühlen anerzogenes weibliches Rollenbild ist.

Deshalb haben wir versucht uns für die Arbeitswelt anzupassen, um ernst genommen zu werden. Mehr Ellenbogen, mehr Taktieren, Quid pro Quo-Denken, Gewinnmaximierung, usw..

Bis alle verstanden haben, dass Diskriminierung nicht in Ordnung ist

Als Zeichen dafür, dass die Welt verstanden hat, dass Diskriminierung nicht in Ordnung ist, halte ich es für unerlässlich die Erfüllung einer Frauenquote von Unternehmen zu fordern. Die Fragen im Hintergrund sind so komplex, dass wenn wir warten würden, bis all diese Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge verstanden und entschlüsselt wurden, ein weiteres Jahrhundert ins Land gehen würde, bevor sich etwas ändert. Denn solange die Tatsache, dass es diese Ungerechtigkeit gibt, nicht ausreicht, um sie abzuschaffen und solange diskutiert wird, wer welchen Anteil – welche Schuld daran trägt, verändert sich nichts. Und diese Ungerechtigkeit muss sofort aufhören!

Genau deshalb brauchen wir Frauen in Positionen, in denen sie die Arbeitswelt neu aufbauen und frauenfreundlich gestalten. Und ich denke die Menschen können sich sicher sein, dass diese neue Arbeitswelt auch für Männer gut sein wird. Denn meiner Meinung nach ist eine besondere Qualität, die Frauen haben, das Wohl aller im Blick zu haben – wobei dies eine stereotype Zuschreibung für Frauen ist. Das passt natürlich nicht in eine darwinistisch geprägte Arbeitskultur in der Gewinnmaximierung an vorderster Stelle steht. Ist aber die richtige Antwort auf viel Fragen der sozialen Ungerechtigkeit.

Entsprechend bin ich für eine massive Erweiterung der Frauenquote und will, dass sie für alle Unternehmen erlassen wird.

Hintergrundwissen zur Frauenquote

Wer muss eine Frauenquote erfüllen?

  • Mit Bundestagsbeschluss vom 6. März 2015 werden große Unternehmen in Deutschland verpflichtet, Aufsichtsräte mindestens mit 30 % Frauen zu besetzen
  • für weitere etwa 3500 Unternehmen gilt die Pflicht, sich eine beliebige Zielvorgabe zu setzen (Quelle: Wikipedia)

Im Verlauf der letzten 5 Jahre seit Einführung der Frauenquote sind zumindest die Aufsichtsräte deutscher mitbestimmungspflichtiger Unternehmen weiblicher geworden. Hier konnte immerhin eine Quote von 34,9% in 105 Unternehmen erreicht werden (Quelle: Handelsblatt 12/19)

Die Vorstände deutscher Unternehmen bleiben jedoch weiterhin von Männern dominiert. Bisher also noch von keiner Quote belegt sind börsennotierten und staatlich kontrollierten Unternehmen, sowie private Kapitalgesellschaften. Und so ist geplant, den Druck auf börsennotierte und staatlich kontrollierte Unternehmen zu erhöhen. Sie sollen Zielgrößen nennen über den geplanten Frauenanteil in Führungspositionen und nötigenfalls mit Strafen belegt werden.

Wirksam sei dabei nur Verbindlichkeit. „Das zeigt schon ein Blick auf die aktuelle Situation: In den Aufsichtsräten, für die eine 30-Prozent-Quote gilt, ist der Frauenanteil erreicht. Vorstände sind zu 90 Prozent noch reine Männerklubs.“, Elke Hannack – DGB. (Quelle: Spiegel.de 05/20)

Dass die Quote bisher nicht sehr erfolgreich war, bedeutet nicht, dass man sie wieder abschaffen sollte. Vielmehr bedeutet es, dass wir bisher noch nicht weit genug gegangen sind. Länder, die die Quotenregelungen strenger handhaben, so wie Norwegen, erreichen 39% an Frauen in Verwaltungsräten. (Studie Hans Böckler Stiftung (27.05.20) )

Wie ist der aktuelle Stand?

Quelle: Statista

Einen Rückzieher machen ist keine Option

Es könnte nun die Frage auftauchen, warum ich für eine Erweiterung der Frauenquote bin, wenn sie doch bisher nicht funktioniert hat. Für mich bedeutet die Tatsache, dass sie außerhalb der Unternehmen mit Aufsichtsrat bisher nicht funktioniert hat nicht, dass der Ansatz falsch ist. Sondern das WIE nicht gut genug durchdacht wurde.

Die Frauenquote hat meiner Meinung nach bisher nicht funktioniert, weil

  • zuviel auf Freiwilligkeit gesetzt wurde und dadurch der Nachdruck fehlte.
  • es zu wenig Konsequenzen für die Unternehmen gibt, die keine Quote festlegen oder sich nicht ernsthaft um eine Durchsetzung kümmern
  • die Arbeitswelt immernoch von Männern gestaltet wird
  • Systeme versuchen stabil zu bleiben, daher rührt die Angst vor Veränderung
  • die Art zu wirtschaften immernoch ausbeuterisch ist und dem Recht des Stärkeren folgt
  • sowohl Frauen als auch Männer Angst vor der Quotenfrau haben
  • Macht, Politik und Geld immer eine Rolle spielen

Und sollte es passieren, dass aufgrund der Frauenquote auch einmal eine inkompetente Frau zu unrecht einen wichtigen Posten erhielte, so ist das noch lange kein Grund die Frauenquote abzuschaffen. Diese Angst ist sowas von irrational und am Thema vorbei. Wir müssen aufhören davor Angst zu haben, dass wir die Gefühle eines Mannes verletzen und wir müssen aufhören die Frauenquote als Mitleidsbonus zu sehen. Sie einzufordern ist ein starker Akt der Emanzipation. Lasst uns endlich die Plätze einnehmen, die uns zustehen!

Feminismus zum Einsteigen

„Ich bin eine von denen, die bis vor ein paar Jahren nichts mit Feminismus anzufangen wusste.“, sagt Justine über sich. Doch das hat sich dann schlagartig durch ein Buch geändert – „Unsichtbare Frauen„. Justine ist eine jungen Bloggerin und mit diesem Artikel spricht sie glaube ich vielen von uns aus der Seele. Denn so wie Justine ging es auch mir, dass ich lange Zeit kein richtiges Bewusstsein für Feminismus hatte. Wenn Benachteiligung und Sexismus zu deiner Lebensrealität gehören, bist du meistens so sehr mitten drin und damit beschäftigt dein Leben trotzdem auf die Reihe zu bekommen, dass dir die Kraft fehlt, dagegen aufzubegehren. Stattdessen sagt man sich „So isses nunmal.“ Akzeptanz! Eine tolle Bewältigungsstrategie, um mit Herausforderungen umzugehen, aber sicher kein geeignetes Mittel, um etwas zu verändern.

Fazit

Die Frauenquote ist für mich wie ein Claim, der abgesteckt wurde. Wir sind noch nicht da, aber er besagt: „Frauen, das hier ist euer rechtmäßiger Anspruch!“ Wenn wir im Alltag mal wieder ganz vergessen, dass es nicht in Ordnung ist, benachteiligt zu werden.

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